Überspringen zu Hauptinhalt

EUROZINS ein zweites „Wirecard“?

Rechtsanwalt Michael R. Moser ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht „der ersten Stunde“. Er gehört zu den Ersten Berufsträgern in Deutschland, der unmittelbar mit Einführung dieser Fachanwaltsbezeichung in Deutschland, die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung von der Rechtsanwaltskammer München verleihen bekam.

Das Magazin „Business-Talk am Ku’damm“ (Berlin) sprach mit Rechtsanwalt Michael R. Moser, mittlerweile Partner der Kanzlei SNP Schlawien Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater (München) am Standort Stuttgart, zu einem sich abzeichnenden Anlagebetrug in Milliarden-Höhe:

 

Anleger beim Anbieter Eurozins aus Stockholm sind möglicherweise Opfer eines Betrugsfalls geworden. Woraus bestand das Angebot von Eurozins?

Michael R. Moser: Eurozins gibt sich selbst als „Finanzportal“ bzw. „Finanzvermittler“. Dabei wirbt man um die Kunden, speziell aus dem deutschsprachigen Raum, mit einem „kostenlosen Konto“, über das man alle Angebote der Firma Eurozins in Anspruch nehmen könne – also es wird alles als sehr kundenfreundlich und zugleich exklusiv dargestellt. Über die „Plattform“, die Eurozins anbieten will, soll der Anleger „exklusiven Zugang zu einlagegesicherten Festgeld- und Tagesgeldern im europäischen Bereich“ erhalten. Die Abwicklung erfolgt über das Internetportal von Eurozins

Auftritt wie ein Bankgeschäft

und erinnert stark an ein klassisches Bankgeschäft – der Kunde überweist Gelder und investiert von dort, ähnlich einem Depot in verschiedene Finanzanlagen. Nach eigenen Angaben soll Eurozins 2016 gegründet worden sein und will mehr als 900 Millionen Euro an Kundengeldern vermittelt haben. Eurozins behauptet von sich selbst, dass „zahlreiche renommierte europäische Banken“ zu den Partnern gehören würden. Namen oder Referenzen findet man auf der Homepage aber keine. Der Außenauftritt von Eurozins wurde, flankiert von entsprechenden Pressemitteilungen *, noch Anfang des Jahres weiter beworben mit Investitionen in Immobilien, Edelmetalle und Pelletanlagen, also alles was dem Anleger Rendite bringen soll.

 

Inwiefern könnte Eurozins ihre Anleger betrogen haben?

Michael R. Moser: Zunächst weiß man nicht, wer hinter „Eurozins“ tatsächlich steckt. Es gibt zwar ein Impressum mit minimalistischen Angaben – eine Aufsichtsbehörde ist dort schon mal nicht zu finden – aber es gibt gewisse „Ungereimtheiten“, die sukzessive kritischer beleuchtet werden. Nicht zuletzt hat „Finanztest“ die Eurozins auf seine „Warnliste“ gesetzt und die BaFin hat Ermittlungen gegen die Stockholms Berghantering AB, die als Betreiber von Eurozins auftritt, eingeleitet,

BaFin geht von gefälschten Verträgen bei EUROZINS aus

wegen des Verdachts unerlaubter Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungen. Dabei geht die BaFin selbst davon aus, dass (Festgeld-) Verträge gefälscht wurden. Das Logo von entsprechenden Banken sei auf die fingierten Dokumente draufgesetzt worden, um den Vorgängen den Schein von Seriosität zu vermitteln.

Welches Ausmaß hat der Betrug? Wie viele Anleger sind betroffen?

Michael R. Moser: Genaue und objektive Angaben dazu fehlen noch, hier muss man die Ermittlungen der BaFin abwarten. Die Eurozins gibt auf der eigenen Homepage an, mehr als 910 Millionen Euro an Kundengeldern eingenommen bzw. vermittelt zu haben und mehr als 70.000 „Sparer“ als Kunden zu zählen.

 

Eurozins wurde 2016 als „Briefkastenunternehmen“ gegründet. Hat sich schon vorher die Unseriösität des Unternehmens abgezeichnet?

Michael R. Moser: Akquise und Auftritt der Eurozins erinnern mich an einen Kapitalanlagebetrug, der sich unter dem Namen „SAMIV AG“ vor genau 10 Jahren in Deutschland und der Schweiz ereignete. Dort wurden den Anlegern fingierte „Kontoauszüge“ mit stattlichen Renditen erteilt. Letztlich entpuppte sich das gesamte „Anlagekonzept“ als ein Schneeballsystem aus dem sich der Initiator für das eigene „schöne Leben“ Millionenbeträge abzweigte.

EUROZINS erinnert an „SAMIV AG“ – Schaden könnte Milliarde übersteigen

Die „Seriosität“ eines solchen Unternehmens, wie auch bei Eurozins können Sie nur nachprüfen, wenn Sie an die Quellen gehen, Einsicht nehmen in das Handelsregister und gezielte Fragen stellen z.B. bei der zuständigen Finanzmarktaufsicht. Nachdem der Auftritt der Eurozins zu den Anlegern hin aber so professionell gestaltet war, kamen lange Zeit keine Zweifel auf. Je glänzender die Fassade, desto kritischer müssten Anleger eigentlich nachfragen.

 

Anrufer fordern derzeit die Anleger auf weitere Beiträge auf Schweizer Konten zu überweisen. Sollten Investoren Anzeige erstatten und anwaltlichen Rat einholen?

Michael R. Moser: Das Eurozins-Geschäftsmodell dürfte in den letzten Zügen stecken.  Die BaFin ermittelt offiziell und veröffentlich sogar einen Hinweis auf gefälschte Verträge, jetzt müsste eigentlich jedem Anleger klar geworden sein, wie riskant das angeblich einlagegesicherte Geschäft dort ist –

Befürchte Totalverlust für die Anleger, die warten

meine Befürchtung ist Totalverlust für die Anleger, die jetzt noch länger warten. Die Anleger sollten jetzt zügig zu einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht gehen und die Verträge überprüfen lassen, Einlagen bzw. Verträge kündigen und versuchen, die Gelder zurückzuholen, wenn es dafür nicht schon zu spät ist. Die Ermittlungen laufen bereits, individuelle Strafanzeigen braucht es derzeit noch nicht.

Wer kommt als Antragsgegner für Schadenersatzansprüche in Frage?

Michael R. Moser: Schadensersatzansprüche setzen erst einmal voraus, dass die vertraglichen Ansprüche der Anleger nicht erfüllt werden. Deswegen sollten die betroffenen Anleger zunächst zeitnah versuchen, ihre Gelder zurückzuholen, bestehende Verträge kündigen, am besten über einen Rechtsanwalt. Soweit sich die Anleger direkt an die Eurozins gewandt haben und in die Vertragsanbahnung kein weiterer Berater zwischengeschaltet war, kommen nur direkte Ansprüche gegen die Betreiber der Plattform „Eurozins“ in Betracht.

Der Beitrag wurde am 15.08.2021 von „Businesstalk am Ku’damm“ veröffentlicht.
Das Ausmaß des in Fachkreisen vermuteten Anlagebetruges betrifft mehr als 70.000 Anlegerinnen und Anleger mit mehr als 910 Millionen Euro. Der „Verlust“ bei Wirecard betrug nach Presseberichten etwa 1,9 Milliarden Euro.

Betroffene Anleger:innen sollten schnellstens einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht kontaktieren.

An den Anfang scrollen