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SAMIV AG – Michael Seidl vor dem Kreisgericht Rorschach – Urteil für März erwartet

Die Verhandlung vor dem Kreisgericht Rorschach gegen den deutschen Staatsbürger Michael Seidl (geboren in Kempten/Allgäu) erlaubte in den Zeugenaussagen des früheren Mitarbeiters Maurice Edelmann und auch in der Einvernahme des Angeklagten Seidl selbst einen „Blick hinter die Kulissen“, der ein Drehbuch für einen Krimi abgeben könnte.

 

Michael Seidl ist Freigänger in Dornbirn – will wieder arbeiten

Zu Beginn der Verhandlung vor dem Kreisgericht in Rorschach (Kanton St. Gallen) am 19.01.2016 gab Michael Seidl die Erklärung ab, dass er die Schadensersatzansprüche der Geschädigten vollumfänglich anerkenne. Er habe in der Haft mit einem Jura-Studium begonnen und sehe seine Handlungen von damals in einem neuen Licht. Er sei, so Seidl wörtlich, „zu neuen Erkenntnissen gelangt“, er wolle Verantwortung übernehmen und stehe zu seiner Schuld. Seidl, der aktuell in Dornbirn inhaftiert ist hat nach eigenen Angaben derzeit den Status eines Freigängers und habe Aussicht auf eine Anstellung in einem österreichischen Unternehmen in der Personalabteilung. Er interessiere sich für Mediation und wolle im Bereich Konfliktmanagement tätig werden, so Seidl weiter.

Zur Person berichtete Seidl, dass er ein Betriebswirtschaftsstudium in München nach dem Abitur begonnen hatte, dieses jedoch abbrach, weil er über einen Versicherungsmakler und dessen Kontakte nach einem Praktikum als Organisationsleiter bei einer Versicherung arbeiten konnte.

Die „AFL-Anlagen“ (Anlage mit fester Laufzeit) entwickelte Seidl nach eigenen Angaben im Jahr 1993. Bis 1998 sei alles „reibungslos“ gelaufen. 1998 seien jedoch im Bereich Vermögensverwaltung an der Börse von einem beauftragten Unternehmen große Verluste erwirtschaftet worden, die Seidl den Kunden bis zuletzt verschwieg. Er hoffte, die Verluste „irgendwie ausgleichen“ zu können. Die Kunden kamen zahlreich zur SAMIV AG. Im Verfahren in Rorschach wurden 1.950 Anleger als Geschädigte registriert, demgemäß groß war die Vorbereitung des Gerichts auf einen erwarteten Ansturm der Geschädigten, der aber an beiden Verhandlungstagen ausblieb.

 

SAMIV Prospekte reihten Lüge an Lüge – Vermittler zu Luxusreisen eingeladen

Auf Nachfrage des Gerichtspräsidenten Olav Humbl räumte Seidl ein, dass seine Anpreisungen über die Geschäftstätigkeit und die Kunden der SAMIV AG frei erfunden waren: es gab keine „Institutionellen Anleger“ oder „Pensionsfonds“, die ihre Gelder der SAMIV AG anvertraut hatten oder sich von der SAMIV AG in Sachen Kapitalanlagen beraten ließen, wie es in den Broschüren der SAMIV AG hieß. Staatsanwalt Dr. Peter Hangartner wies in seinem Plädoyer auch darauf hin, dass die Prospekte der SAMIV AG „Lüge an Lüge“ aneinanderreihten um die Anleger zu täuschen. Viele Jahre hatte Seidl dieses Lügengebäude aufrechterhalten und die Anleger um mehr als 50 Millionen Euro geprellt.

Seidl, der schon vom Obergericht des Fürstentums Liechtenstein wegen anderer Betrugsdelikte zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt worden war, wurde von seinem früheren Freund und Mitarbeiter Maurice Edelmann, den mancher Anleger noch kennen wird, als Mensch mit „gutem Auftreten, Kreativität und extremer Intelligenz“ beschrieben.

Mit ausgesuchten Vermittlern (darunter nannte Seidl später auf Nachfrage von Rechtsanwalt Michael Moser, der einige Geschädigte in Rorschach vertrat, zwei namentlich bekannte Anlagevermittler aus dem Allgäu und aus Hamburg), unternahm man auch Reisen nach Namibia zur Wüstensafari, Seereisen nach Kroatien oder nach Finnland, natürlich auf Kosten der SAMIV AG, bzw. der Anleger.

 

Extrem kostspieliger Lebenswandel des Michael Seidl

Zudem verbrauchte Seidl nach den Recherchen der Staatsanwaltschaft allein über seine Firmenkreditkarte im Schnitt 50.000 Franken pro Monat. Sein Haus in Liechtenstein schlug mit 20.000 Franken Miete pro Monat zuzüglich Kosten für den Hauswart zu Buche. Daneben unterhielt er einen Fuhrpark von Luxuskarossen, die in Liechtenstein in einer Tiefgarage mit 16 Stellplätzen standen. Für eine teure Segelyacht hielt Seidl eine eigene Crew vor. Allein das Kindermädchen kostete 52.000 Franken im Jahr. Die Staatsanwaltschaft kam in ihrem Plädoyer auf „Fixkosten“ von Michael Seidl im Privatbereich von 1 Million Franken pro Jahr, die er sich aus den eingezahlten Geldern der Anleger nahm, so der Untreuevorwurf der Staatsanwaltschaft.

Später musste Seidl auch einräumen, dass es gar kein „AFL-Produkt“ gab. Es waren nur durchlaufende Gelder, die überwiegend auf ein Konto in München von den Kunden eingezahlt wurden (wir berichteten).

Seidl gab sich bei den Fragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft betont „locker“ und lächelte selbst bei kritischen Nachfragen immer wieder. Er wollte augenscheinlich den Eindruck erwecken, er sei durch die bisher verbüßte Haft geläutert, ein besserer Mensch geworden und mit sich im Reinen.

 

Geschädigtenvertreter wirft Seidl „eloquente Selbstdarstellung“ vor

Rechtsanwalt Michael Moser hielt ihm dagegen in seinem Plädoyer vor, Seidl sei ein „eloquenter Selbstdarsteller“, der lediglich versuche „in einer aussichtslosen Situation für gute Stimmung zu sorgen“. Die Einzelschicksale der Menschen, die Seidl um ihre Ersparnisse betrogen hat, spielten für ihn keine Rolle.

Durch die akribische Beweisführung der Staatsanwaltschaft St. Gallen durch Staatsanwalt Dr. Peter Hangartner konnte Seidl im Gerichtssaal noch an zahlreichen Stellen seiner Einlassung der Lüge überführt werden.

Am 20.01.16, dem zweiten Verhandlungstag standen die Plädoyers der Verteidigung und die Repliken der Staatsanwaltschaft und der Geschädigtenvertreter an.

 

Urteil wird für März erwartet 

Während die Staatsanwaltschaft eine Einsatzstrafe von 10 Jahren für die angeklagten Taten forderte und daraus im Nachgang zur Verurteilung in Liechtenstein eine Zusatzstrafe von 3 Jahren beantragte, plädierte die Verteidigung auf eine Einsatzstrafe von 9 Jahren und kam daraus auf eine Zusatzstrafe von nur 4 Monaten.

Zudem war der Umfang der Einziehung bzw. des Vermögensverfalls zwischen der Staatsanwaltschaft und den Geschädigtenvertretern auf der einen Seite und der Verteidigung auf der anderen Seite unterschiedlich bewertet worden.

Die Verteidigung räumte in ihren Ausführungen das Bestehen eines „Schneeballsystems“ ein und bat das Gericht ansonsten um eine Milde Strafe im Hinblick auf die mögliche Resozialisierung von Michael Seidl in Österreich. Noch im Gerichtssaal anerkannte die Verteidigung weitere zivilrechtliche Forderungen der Geschädigten.

Das Gericht hat angekündigt, ein Urteil voraussichtlich im März schriftlich zu eröffnen.

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