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Treukommerz – BGH bestätigt Haftung für Prospektfehler

Die schriftlichen Urteilsgründe der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 09.07.2013 (wir berichteten von der Verhandlung) zum Themenkomplex Haftung der Treukommerz wegen der beim Vertrieb der Juragent Prozesskostenfonds Kommanditgesellschaften (PKF I bis PKF IV) verwendeten Prospekte, die bekanntlich neben dem Verschweigen der einschlägigen Vorstrafen des Vorstands der Juragent AG Mirko Heinen einige weitere Fehler enthielten, liegen seit dem 15.08.2013 auch auf der Homepage des BGH vor.

Der BGH hat in der Entscheidung II ZR 9/12 die von uns zusammen mit Karlsruher Kollegen entwickelte Argumentation zur Haftung der Gründungsgesellschafter vollumfänglich bestätigt!

Die Bedeutung der Entscheidung kann daran abgelesen werden, dass der II. Senat des BGH ihr zwei Leitsätze voranstellt:

„a) Ein Treuhandkommanditist, der auch eigene Anteile an der Gesellschaft hält, haftet bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht gegenüber den Anlagegesellschaftern wie ein Gründungsgesellschafter. Ein Verschulden eines Verhandlungsgehilfen ist ihm nach § 278 BGB zuzurechnen.

b) Vorstrafen der mit der Verwaltung des Vermögens einer Anlagegesellschaft betrauten Person sind jedenfalls dann zu offenbaren, wenn die abgeurteilten Straftaten nach Art und Schwere geeignet sind, ein Vertrauen der Anleger in die Zuverlässigkeit der betreffenden Person zu erschüttern“

Die Vorgeschichte ist leidlich bekannt: Die Juragent AG mit ihrem damaligen Vorstandsvorsitzenden Mirko Heinen, der zwischenzeitlich verstorben ist, legte insgesamt vier Fondsgesellschaften (Erste bis Vierte Juragent GmbH & Co.  Prozesskostenfonds KG) auf. Ein fünfter Fonds nach gleichem Muster war in Planung, wie Finanztest berichtete.

Wegen der unzureichenden Erfolgszahlen der Fonds hatten die damaligen Beiratsvorsitzenden Alarm geschlagen und versucht auf die Geschäftsführung positiven Einfluss zu nehmen. Wie heute bekannt, leider zu spät. Millionenbeträge waren von Mirko Heinen und einigen Helfern in die Schweiz auf eine „JURASWISS S.A.“ übertragen worden – entgegen der vertraglichen Bestimmungen. Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte am 18.02.2009  gegen Heinen und andere wegen Untreue, Urkundenfälschung und weiteren Delikten im Umfeld der Juragent AG Anklage erhoben (Aktenzeichen 3 Wi Js 3667/07). Die in Deutschland ansässigen Fonds fielen, wie auch die Juragent AG nach und nach in Insolvenz.

Wie bekannt wurde, wies das Bundeszentralregister des Mirko Heinen bereits 23 Eintragungen auf, teilweise wegen Betrugs, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und Meineid. Die Verurteilungen stammen überwiegend aus Zeiten vor der Emission der Fondsgesellschaften. In den Fondsprospekten wurde jedoch das untadelige Bild eines ehrbaren und erfolgreichen Kaufmanns suggeriert. Heinen war über die Juragent Verwaltungs GmbH (Komplementärin der jeweiligen Fondsgesellschaften PKF I bis IV, die die Fondsgeschäftsführung inne hatte), deren Geschäftsführer er war, an Schlüsselpositionen der Fonds eingesetzt.

Die Fondsgesellschafter konnten sich direkt an den Fonds beteiligen (Direktkommanditisten) oder – wie in den meisten Fällen geschehen – über eine Treuhandgesellschaft, hier die Treukommerz Beratungs- und Treuhand-Gesellschaft mbH (Hannover). In Folge der zahlreichen Verurteilungen auch der Treukommerz vor dem Kammergericht Berlin fiel auch diese in Insolvenz, nachdem die Haftpflichtversicherung der Treukommerz ihr die Deckung entzog.

Der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Senat des BGH hat die Rechtsauffassung des Klägers in diesem „Musterverfahren“ und damit auch das Urteil des Kammergerichts bestätigt: Die Treukommerz war als Gesellschafterin der Fondsgesellschaft aber auch als Treuhänderin verpflichtet, den hinzutretenden Anleger über die Vorstrafen des Mirko Heinen (Beklagter zu 2) aufzuklären.

Auch der im Fondsprospekt enthaltene Hinweis auf eine fehlende Prüfung durch die Treukommerz ändert daran nichts. In der Beitrittserklärung fand sich der Zusatz „Mir ist bewusst, dass der Treuhänder und die Rechtsanwälte nicht für die Plausibilität des Angebots haften und sie die Beteiligung nicht geprüft haben“.

Die Treukommerz war der Ansicht, sich deshalb von der Haftung freigezeichnet zu haben. Der BGH stellt die Nichtigkeit der formularmäßigen Freizeichnungsklausel fest, weil sie der grundlegenden Bedeutung der Aufklärungspflicht für den Schutz der Investoren zuwiderläuft und die Anleger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Die Zurückverweisung des ansonsten bestätigten Urteils des Kammergerichts (Aktenzeichen 23 U163/11 = BeckRS 2012, 03260) erfolgte ausschließlich zu Klärung des noch verbliebenen Werts der Beteiligung an dem jeweiligen Prozesskostenfonds. Nachdem der Insolvenzverwalter angibt, die Beteiligung sei nicht wertlos, muss nach Par. 45 Satz 1 Insolvenzordnung ein Wert für die „Zug-um-Zug“ erfolgte Verurteilung und damit einhergehende Rückübertragung der Beteiligung festgestellt werden.

Die Feststellung zur Insolvenztabelle kann nur mit „auf Geld gerichtete Ansprüche“ erfolgen, die sich für die Berechnung einer Quote eignen. Das Kammergericht wird nun diesen Wert feststellen und ggfl. schätzen können. Nach Abzug dieses Wertes kann der Schadensersatzbetrag dann endgültig beziffert und festgestellt werden.

Die drängenden Rechtsfragen für die Anleger sind mit dem heute veröffentlichten BGH-Urteil zu unserer vollsten Zufriedenheit und im Sinne unserer Rechtsauffassung geklärt.

 

 

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