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Vorsicht bei massenhaften Güteanträgen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer mehr als einstündigen mündlichen Verhandlung am Mittwoch, 18.06.2015, über die Revisionen von vier Ehepaaren verhandelt, die sich auf Anlageberatung des AWD in verschiedene Falk Fonds (Nrn. 66, 68, 75) Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co KG beteiligten. (III ZR 189/14, III ZR 191/14, III ZR 198/14, III ZR 227/14)

Die Revisionen befassten sich mit der Rechtsfrage, ob ein „massenhaft“ verwendeter Güteantrag, der im Jahr 2011 für die Anleger von einer Anwaltskanzlei im Internet bereitgestellt worden war, in der Lage ist, im Sinne von Par. 204 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die Verjährung der Schadensersatzansprüche zu hemmen. Das BGB erlaubt in Par. 204 Abs. 1 Nr. 4 die Einreichung eines Güteantrages bei einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle.

Die Antragsteller und jetzigen Revisionskläger fühlten sich von dem jeweiligen AWD-Berater falsch und unzureichend über die Risiken der Anlagen beraten. Die Beitritte zu den Fonds waren zwischen 1999 und 2001 erfolgt. Nach „altem Recht“ verjährten diese Ansprüche in 30 Jahren. Nach der Schuldrechtsmodernisierung zum 1.1.2002 verkürzte sich die längste (kenntnisunabhängige) Frist auf 10 Jahre. In der Überleitung von „altem“ auf „neues“ Recht trat die Verjährung dieser „Altfälle“ spätestens mit Ablauf des 31.12.2011 ein.

Um diese Verjährung zu hemmen, verwendeten die Revisionskläger gleichlautende Güteanträge, in die neben den individuellen Angaben des eigenen Namens und der Anschrift nur die Fondsnummer (nicht die Beteiligungsnummer o.ä.) eingetragen wurde. Ansonsten enthielten alle Güteanträge eine identische Begründung. Eingereicht wurden diese Anträge noch fristgerecht  bei einer staatlich anerkannten Gütestelle in Baden-Württemberg.

Die Antragsgegnerin trat dem Güteverfahren nicht bei. Die daraufhin erhobenen Klagen wurden von den Instanzgerichten (LG Hannover und OLG Celle) zurückgewiesen. Der BGH hat in der mündlichen Verhandlung neben der Reichweite des Streitgegenstandes, den das OLG falsch beurteilt hatte, die Frage problematisiert, ob die Güteanträge den jeweiligen Anspruch des Anlegers hinreichend individualisieren. Im Ergebnis verneint der BGH:

Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass Güteanträge in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen haben; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Der Güteantrag muss für den Gegner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten.

(Quelle: Pressemitteilung Nr. 100/2015 des BGH, 18.06.2015)

In einem anderen Verfahren, III ZR 303/14, das einen vergleichbaren Fall behandelte, entschied der BGH übrigens „andersherum“. Der wesentliche Unterschied war jedoch, dass in jenem Fall der Anspruch des Antragstellers in dem Güteverfahren hinreichend konkret und individualisiert dargestellt worden war. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

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