Überspringen zu Hauptinhalt

Anlegeranwälte und ein angeblicher „Verbraucherschutzverein“

Anlegeranwälte aus Jena in engem Kontext zu angeblichem „Verbraucherschutzverein“

Im Zuge meiner Recherchen zur Schadensersatzklage meines Mandanten aus dem Oberallgäu gegen die berühmt-berüchtigten Anlegeranwälte aus Jena konnte ich Akteneinsicht nehmen in die Akte des Vereinsregisters beim Amtsgericht Erfurt. Was war der Hintergrund dieser Maßnahme?

Bei der Anbahnung des Mandatsverhältnisses zu meinem Mandanten wurde eine kostenlose Prüfung eines Falles durch einen „Stiftungsjuristen“ angeboten. Dieser „Stiftungsjurist“ wurde in einen Kontext gestellt, der es nahelegte, man habe es mit einer Tätigkeit der Deutsche Stiftung Verbraucherschutz (Berlin) zu tun. Die echte Deutsche Stiftung Verbraucherschutz distanziert sich in einem Schreiben vom 06.12.2018 jedoch deutlich von dem Verein „DVS-Deutscher Verbraucher-Schutz Ring e.V.“ und hat damit auch objektiv nichts gemeinsam.

kostenlose Prüfung durch „Stiftungsjuristen“

Die Werbemasche ist zunächst vertrauenserweckend: Das erste Anschreiben an einen potenziellen Mandanten erfolgt nicht durch eine Rechtsanwaltskanzlei, sondern über einen scheinbar objektiven Anlegerschutzverein, der in der Folge dann einen dem Verein nahestehenden Juristen mit der Prüfung von Erfolgsaussichten eines beabsichtigten weiteren rechtlichen Vorgehens beauftragt. Die Prüfung wird – wen wundert es – sehr wahrscheinlich positiv ausfallen, und damit wird der Kontakt zwischen dem potenziellen Mandanten und der Anwaltskanzlei hergestellt. Das nächste Schreiben kommt von der Anwaltskanzlei. Das Mandat wird erteilt, eine Vollmacht unterschrieben und der Honoraranspruch für die „Anlegeranwälte“ ist entstanden.

angebliche „Verbraucherschutz-Stiftung“

Aus den Unterlagen des Amtsgerichts Erfurt (VR 162331) betreffend DVS-Deutscher Verbraucher-Schutzring e.V., Sitz: Erfurt ergibt sich, dass am 15.11.2005 der Verein in Jena gegründet wurde. Im Gründungsprotokoll heißt es unter anderem:

„Aufgrund von persönlicher Einladung von Herrn Philipp Wolfgang Beyer sind heute am 15.11.2005 die in der beigefügten Anwesenheitsliste aufgeführten sieben Personen erschienen, um über die Gründung eines „Deutschen Verbraucher-Schutzringes e.V.“ in Jena zu beraten und Beschluss zu fassen. (…)
Bei Stimmenthaltung des jeweiligen Bewerbers wurde Herr Philipp Wolfgang Beyer einstimmig als einziges Vorstandsmitglied gewählt: Der Vorstand, Philipp Wolfgang Beyer, wurde einstimmig für fünf Jahre gewählt.“

(aus dem Gründungsprotokoll über die Gründung des Vereins DVS Deutscher Verbraucher-Schutzring e.V. vom 15.11.2005, Akte des Amtsgericht Erfurt Vereinsregister VR 162331 – vormals VR 2331)

Adresse des „Verbraucherschutzvereins“ identisch mit der der Anwaltskanzlei

Bei der Anmeldung der Vereinsgründung wurde interessanterweise angegeben, dass der Vorstandsvorsitzende, in Personalunion Inhaber der bekannten Anlegerkanzlei in Jena, auch wohnhaft sei unter der Adresse Löbdergraben 11 a, 07743 Jena, just die Adresse der Anwaltskanzlei. Die Zeitschrift Finanztest berichtete bereits mehrfach über die Aktivitäten der „Anlegeranwälte“ und über staatsanwaltliche Ermittlungen („Razzia bei Anlegeranwälten“, Ausgabe 18.07.2017) gegen die Anwaltskanzlei, in deren Kontext auch der Verein „DVS“ genannt wird.

Das Amt des Vorstands bzw. Vorstandsvorsitzenden hatte Philipp Wolfgang Beyer nach den eingesehenen Unterlagen des Vereinsregisters jedenfalls inne bis zum 01.11.2010. Zu seiner Nachfolgerin wurde Frau Uta Jung-Thieme gewählt. Aus einem aktuellen Register-Auszug des Vereinsregisters des Amtsgerichts Erfurt zu VR 162331 „DVS-Deutscher Verbraucher-Schutz Ring e.V.“  (DVS) ergibt sich, dass am 04.02.2019 wieder der Gründungsvorstand Philipp Wolfgang Beyer, geb. 23.06.1960, Jena, als Vorsitzender des Vereins eingetragen wurde.

Über die personelle und räumliche „Nähe“ zwischen „Anlegerschutzkanzlei“ und „Anlegerschutzverein“ hatte mein Mandant jedoch bis zu meinen Recherchen keinerlei Kenntnis. Aufgeklärt hat ihn die „Anlegerschutzkanzlei“ über diese besondere personelle und räumliche Nähe nicht. Auf seiner Homepage verweist Rechtsanwalt Beyer darauf, dass der Bundesgerichtshof den Anwälten die Werbung um Mandate durch eigens dafür gegründete Vereine gestatte. Die Zusammenarbeit, ja sogar Personenidentität, zwischen „Anlegerschutzverein“ und Anwaltskanzlei legte er jedoch meinem Mandanten gegenüber nicht offen.

OLG Köln: Zusammenarbeit muss offengelegt werden

Im Zusammenhang mit der Instrumentalisierung des vom „Anlegeranwalt“ Beyer initiierten Vereins „DVS e.V.“ ist jedoch auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (OLG) vom 15.06.2012, Az. 6 U 129/11 (BeckRS 2013, 1363) hinzuweisen.

Das OLG Köln hat insoweit in vergleichbarer Konstellation entschieden, dass bei Ansprache von Kapitalanlegern durch eine Verbraucherschutzorganisation in namentlich adressierten Schreiben zur Anforderung kostenloser und unverbindlicher anwaltlichen Information die persönliche und organisatorische Zusammenarbeit zwischen dem Verbraucherverein und der Anwaltskanzlei offengelegt werden muss, andernfalls ein Verstoß gegen § 43 b BRAO i.V.m. § 6 Berufsordnung der Rechtsanwälte und gleichzeitig §§ 3 und 4, Nr. 11 UWG vorliegt. 

Bei „Anlegeranwälten“ und „Anlegerschutzkanzleien“ macht es durchaus Sinn, mitunter etwas „genauer hinzusehen“.

An den Anfang scrollen